„Als ob es keine Regierung gegeben hätte“ Nur noch wenige Wochen sind es, bis die italienischen Bürger ein neues Parlament wählen werden. Grund genug um Bilanz zu ziehen über die geleistete Arbeit der vergangenen fünf Jahre. Südtirol Online hat dazu die Vertreter der wichtigsten Wirtschaftsverbände Südtirols zu ihrem Urteil über die Mitte-Rechtsregierung Berlusconis befragt. Während die meisten Verbände ein negatives Urteil abgaben, sind für Walter Amort vom Verband der Kaufleute und Dienstleister "durchaus positive Ansätze" erkennbar gewesen.
„Zum Positiven hat sich an und für sich nichts verändert“, lautet die Bilanz des Präsidenten des Landesverbandes der Handwerker (LVH), Herbert Fritz. Zum einen habe es die versprochene Steuersenkung nicht gegeben, auf der anderen Seite seien die Belastungen sogar noch gewachsen. Auch Udo Perkmann, Direktor des Unternehmerverbandes Südtirol spricht von einer "traurigen Bilanz", vor allem aus vier Gründen. Erstens falle Italien beim Export auffallend weit zurück. Zweitens seien die Lohnkosten, sowie der Steuer- und Abgabedruck im Vergleich zu Nachbarländern unverhältnismäßig hoch. Zudem seien die Energiekosten in Italien im Vergleich zu den Nachbarländern um 30 bis 40 Prozent höher. „Was der Sache aber den Hut aufsetzt ist, dass die Regierung Berlusconi unverschämt genug war, eine ganze Reihe von Strafnachlässen für die Schlaumeier und für die Steuerhinterzieher in Kraft zu setzen, in der die Ehrlichen die Gelackmeierten sind.“
Für Perkmann ist die Abmahnung der Regierung Berlusconis durch den Präsidenten des italienischen Unternehmerverbandes, Luca di Montezemolo, vollkommen berechtigt. Dieser hatte scharf kritisiert, dass in Italien seit langer Zeit Gauner begnadigt und gefördert würden, die Gesetze gebrochen, keine Steuern gezahlt, ohne Genehmigung gebaut und die Bilanzen gefälscht hätten. Die Wirtschaft in Italien stagniere, während sich die Welt rund herum wandle, zeigt sich Perkmann besorgt. „Der EU-Raum hat sich verändert und große Länder wie Indien und China drängen mit ihren Produkten auf unseren Markt“, weshalb es sinnvoll wäre, wenn die italienische Regierung endlich Nägel mit Köpfen machen würde, "anstatt Gefälligkeitsgesetze zu erlassen."
Der Präsident des Hotel- und Gastwirteverbandes (HGV), Walter Meister, zeigt sich mit den ersten ein bis zwei Jahren der Regierungsarbeit einigermaßen zufrieden. In dieser Zeit habe die Regierung vor allem auf dem Steuer- und Erbschaftssektor gut für den Wirtschaftsektor gearbeitet. „Der Rest der Legislaturperiode war aber so, als ob es überhaupt keine Regierung gegeben hätte“, betonte Meister. Bei einer solchen Stagnation müsse man sogar froh sein, dass sich nichts zum Negativen verändert habe.
Georg Mayr vom Südtiroler Bauernbund betont, dass man zwei Dinge auseinanderhalten müsse. Auf der einen Seite gebe es die autonomiepolitische Situation Südtirols, in der sich in den letzten Jahren überhaupt nichts bewegt habe, da die Regierung lokale Kompetenzen verhindert oder beansprucht habe. Auf der anderen Seite seien die Staatskompetenzen. „Bei der Steuerpolitik des Staates muss ich sagen, dass wir da nicht schlecht gefahren sind, da in den vergangenen Jahren keine zusätzlichen Steuern von der Landwirtschaft erhoben worden sind“, so Mayr.
Im Großen und Ganzen seien durchaus positive Ansätze zu erkennen gewesen, meint Walter Amort, Präsident des Verbandes für Kaufleute und Dienstleister. „Die hochgesteckten Ziele der Regierung Berlusconi sind nur teilweise erreicht worden. Trotzdem hat die Stabilität der Regierung dazu geführt, dass einige Vorhaben konkretisiert wurden, die in Europa durchaus Nachahmung finden, denkt man nur an den Punkteführerschein und das Rauchergesetz.“ Auch die Effizienz des Staatsapparates sei deutlich gesteigert worden, glaubt Amort. Ein wichtiges Ziel, die Senkung der Steuerbelastung, sei jedoch nur teilweise erreicht worden. Auch im Sektor Sicherheit sei kaum etwas geschehen. Dass die Marktsituation für den Einzelhandel und für die Dienstleister generell schwieriger geworden sei, sei aber nicht der Regierung Berlusconi anzukreiden. „Das ist eine allgemeine Entwicklung“, unterstreicht Amort.
Ein eventueller Wechsel an der italienischen Regierung löst bei den Wirtschaftsvertretern dennoch nur verhaltenen Optimismus aus. Besorgt sei man vor allem wegen der Beteiligung von ,Rifondazione Comunista’ an der Koalition Romano Prodis. „Viel schlimmer als in den letzten Jahren kann es nicht werden“, glaubt Walter Meister. Aber mit der Beteiligung der Kommunisten an der Regierung sei für die Wirtschaft nicht allzu viel zu erwarten, da man mit ihnen in der Vergangenheit nie gute Erfahrungen gemacht habe. In die gleiche Kerbe schlägt Perkmann. Er fordert von der neuen Regierung eine drastische Senkung der IRAP-Steuer, sowie der Lohnkosten. Die italienischen Infrastrukturen müssten dem europäischen Standard angepasst werden, Italien solle mehr für Innovation, Forschung und Entwicklung tun, um den internationalen Anschluss nicht zu verlieren.
„Es stellt sich aber die Frage, ob der italienische Bürger nicht nur zwischen Teufel und Beelzebub wählen muss“, sagt Perkmann. Man dürfe nicht vergessen, dass mit Fausto Bertinotti auch Exponenten der Ex-Kommunisten an der Regierung sitzen könnten. „Für die Unternehmer ist dies sicherlich kein Vorteil, da Kommunisten im Laufe der Geschichte noch nie bewiesen haben, dass sie etwas weiterbringen können“, glaubt Perkmann.
Auch bei Herbert Fritz und Georg Mayr hält sich die Euphorie in Grenzen. "Ich kann mir zwar vorstellen, dass eine neue Regierung alles daran setzen wird, um eine bessere Wettbewerbsfähigkeit Italiens zu erreichen. Ich glaube aber, dass dies wegen der fehlenden Rahmenbedingungen schwierig ist", so Fritz. Für Georg Mayr wird sich bei einem Regierungswechsel autonomiepolitisch etwas bewegen. Er befürchtet vor allem, dass der Staat aufgrund der desolaten finanziellen Situation wiederum an der Steuerschraube drehen wird.
Der Verband der Kaufleute und Dienstleister erwartet sich vor allem eine Senkung der Steuerbelastung von einer neuen Regierung. Nur das könne die Wirtschaftskraft und damit auch die Sozialentwicklung des Staates wieder ankurbeln. Dass dies aber automatisch durch eine Regierungswechsel geschehen könne, glaubt Amort nicht. „Die Unterschiede der Strategien von Berlusconi und Prodi sind meiner Ansicht nach in der Umsetzung äußerst marginal. Es geht darum, dass eine Regierung erkennt, wo ihre Kräfte einzusetzen sind, wo sie optimieren und zukunftsfähige Konzepte entwickeln kann.“